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Seebad Helgoland

Die Badekarren

Badekarren bieten zunächst den einzig statthaften und standesgemäßen Zugang zum Badevergnügen. Erfunden in England, dem Mutterland des Bädertourismus, in der Mitte des 18. Jahrhunderts, gehören Badekarren dazu, als in Deutschland die ersten Seebäder öffnen.

Der romantische Dichter Joseph von Eichendorff zeigt sich angetan von dieser Einrichtung, wie er 1805 anlässlich eines Besuches in einem Seebad notiert: „Jeder dieser Karren besteht aus einem kleinem niedlichen Stübchen mit Stühlen, Stiefelknecht und allen Bequemlichkeiten, das auf zwei Rädern steht und auf der Seeseite ganz offen ist. Hat sich der zu Badende in die kleine Wohnung einlogiert, so wird sie einige Schritte weit ins Meer hinausgeschoben, und er kann sich nun auf einer vorn angebrachten Strickleiter ohne alle Gefahr so tief in die See herablassen, als er Lust hat.“ Ins knie- bis hüfthohe Wasser werden die Badekarren entweder von Pferden oder auch per Hand gezogen. An der nahezu tidenfreien Ostseeküste bleiben die Wagen zum Teil im Wasser stehen und lassen sich über Stege erreichen. Wegen der starken Brandung bevorzugt man an vielen Seebädern der Nordseeküste das vierrädrige gegenüber dem zweirädrigen Modell. Versteckt vor den Blicken der anderen Badegäste steigen die Badegäste, streng nach Geschlechtern getrennt, die Treppen an der hinteren Seite des Badekarren hinunter, um einige Male kurz unterzutauchen. Regelrechtes Schwimmen findet nicht statt, das Bad dient allein der Kreislaufstärkung und der Erfrischung.

Baden ist bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein Vergnügen der gesellschaftlichen Elite und entsprechend hoch ist auch bei den Badekarren die finanzielle Hürde, die zu nehmen ist. Die Miete für einen Badekarren entspricht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in etwa dem Tagesverdienst eines Handwerkers. Je größer die Kreise der Bädertouristen werden, desto weniger exklusiv bleibt das Badevergnügen; auch ein bürgerliches Publikum kann die Preise nun aufbringen, vor allem abseits der mondänen Badeorte. Zugleich verliert der Badekarren an Attraktivität, denn das Strandleben wird ein Ort der Geselligkeit und des Repräsentierens, weshalb das eigentliche Baden nicht mehr in der Abgeschlossenheit stattfindet. Die Badegäste ziehen sich nunmehr in Badekabinen um, die in den meisten Badeorten den Strand in langen Reihen säumen.

Das Seebad Helgoland
1826 errichtet der Schiffszimmermann Jacob Andresen Siemens auf Helgoland eine Badeanstalt auf der Düne. Allerdings besuchen Badegäste die Insel bereits schon vor der offiziellen Seebad-Gründung. Der erste Sommer brachte nur etwa 100 Badegäste in kleinen, offenen Segelbooten, die über zwölf Stunden unterwegs waren. 

Von 1834 an verkehrten von Hamburg aus die ersten Raddampfer"Patriot" und "Elbe".Die Zahl der Badegäste stieg rasch an, 1838 waren es bereits mehr als tausend Dauergäste.Einheimische Fischer hatten sich das Ausbooten der eintreffenden Gäste als Privileg gesichert. Der britische Gouverneur Sir Henry Maxse förderte das Seebad durch die Gründung verschiedener öffentlicher Einrichtungen. In der Saison 1886 zählte man 8370 Badegäste. Der Aufstieg Helgolands als Ferieninsel hielt auch unter der deutschen Fahne an, und im Jahre der Eingliederung 1890 wurden schon fast 13 000 Besucher gezählt. 1892 wurde ein Badehaus mit Hallenschwimmbad und 1893 ein Musikpavillon in Betrieb genommen, 1897 das Nordsee-Museum eröffnet. Der Krieg unterbrach die touristische Entwicklung der Insel. Doch schon während des Wiederaufbaus der Ortschaft besuchten Schauspieler und andere prominente Gäste die Insel Helgoland wieder. Es folgten einige gute Jahrzehnte mit Besucherzahlen bis zu 800 000 Gästen. Auch die ersten Jahre der Wiedervereinigung brachten sehr positive Gästezahlen. Doch seit einigen Jahren ist die Besucherzahl rückläufig und wurde in den Jahren 2009 und 2010 nur noch mit um die 300 000 Besuchern beziffert.